Tod vor der Tür

Ein Schuss! Direkt vor seiner Bürotür in Essen Kray wird ein Mann erschossen. Das reißt den Privatdetektiv Robert Erich Tarne aus seinen süßen Tagträumen. Wieso gerade hier und jetzt, wieso gerade bei ihm? Zufall? Und was soll der blutverschmierte Schlüssel, den ihm der Sterbende so gerade noch zustecken kann, ehe die Bullen anrauschen?
Tarne räumt auch im neuen Roman von Joachim Stengel im Ruhrpott ordentlich auf, mit seinen ganz speziellen Methoden. Quer durch geht’s dabei wieder: ob nach Bochum, Duisburg, Dortmund oder Hösel. Für den Detektiv läuft es erneut nicht so rund wie gedacht. Schließlich ist niemand perfekt und Tarne manchmal doch nicht ganz so cool, wie er sich selber gerne sieht, als Mischung aus Bruce Willis und Clint Eastwood. Er kann auch nicht verhindern, dass seine Ex mit hineingezogen wird. Der Fall weitet sich schließlich immer mehr aus, bis selbst die Kanzlerin dazu Stellung beziehen muss …

Leseprobe:

Kapitel 1

Drei Uhr Donnerstag Nachmittag mitten im August. Die Sonne brütete am wolkenlosen Himmel über der ausgedörrten Stadt. Das Ruhrgebiet schmorte seit sechs Wochen vor sich hin. Die Menschen flüchteten in den Schatten, wo es nur ging, bewegten sich nur noch apathisch und sehnten sich stöhnend nach ein paar Tropfen Regen. Sollte er jetzt die Füße vom Tisch nehmen und die Jalousien zuziehen? Tarne liebte die Sonne und die Wärme, aber nur aus dem Schatten. Im Moment störte sie bei seiner Lieblingsbeschäftigung, dem Lesen. Sie holte ihn aus einer Existenz in den faszinierenden Wechselwelten Paul Austers, eingelullt von Vogelgezwitscher und hin und wieder einem Autobrummen. Sollte er sich eine eisgekühlte Pepsi-Light gönnen? Aber auch dafür müsste er sich erheben und sie aus dem Kühlschrank holen! Ein Schweißtropfen lief ihm von der Stirn. Ein schöner Tag. Ein ruhiger Tag! Keine Rechnung offen und noch ein paar Euros in der Tasche.

Die Überwachung der Frau eines eifersüchtigen Ehemannes hatte er delegieren können. Warum sich Sorgen um neue Aufträge machen? Das Leben war schön. Den Moment genießen!

Sein letzter Auftrag hatte ihn nach Dänemark geführt. Es ging um eine Hühnerfarm. Er war erfolgreich gewesen, hatte nachweisen können, dass Eier als Bio verkauft wurden, die nicht nach den Vorschriften erzeugt worden waren.

Das Land hatte ihm gefallen. Dort waren Toilettenbenutzung und Parken kostenfrei. Im Gegensatz zu den Tankstellen auf den deutschen Autobahnen. Da hatte er siebzig Cent bezahlen müssen. Die verdienen sich sogar am Pinkeln dumm und dämlich! Den Gutschein über 50 Cent, den man dabei erhält und den man dann für einen eisgekühlten gesüßten Latte Macciato im Plastikbecher für 2,99 einlösen kann, der sonst nur 99 Cent kostet, machte das Ganze nicht erträglicher. Er spürte, wie der Ärger über sein Gesicht huschte, während er sich mit zwei Fingern über die rechte Augenbraue strich als wenn er eine lästige Fliege vertreiben wollte.

„Pack!“, murmelte er vor sich hin, während er mit halber Aufmerksamkeit einen Mann beobachtete, der an der langen Fensterfront der ehemaligen Metzgerei vorbei hastete, in der Tarne sein Büro eingerichtet hatte. Der draußen trug trotz der Hitze ein Jackett, wie man das so von biederen Geschäftsleuten kannte und sah sich immer wieder um. Weitere Schweißtropfen suchten und fanden ihren Weg zu Tarnes Augenbrauen. Im Seitenfenster eines vorbei fahrenden Wagens blitzte etwas auf, gefolgt von einem für den azurblauen Himmel völlig unpassenden Donnerschlag. Der riss Tarne endgültig aus seinen süßen Träumen. Seine Füße berührten den Fußboden, noch bevor der Hall des Schusses verklungen war. Der Mann mit dem Jackett wurde getroffen, riss einen Arm hoch und torkelte rückwärts über den Bürgersteig bis vor die Eingangstür von Tarnes Büro.

Das Geschoss war offenbar durch das menschliche Fleisch gejagt, als wenn es Butter wäre, und aus dem Körper ausgetreten, denn es hatte seinen Weg durch die gläserne Eingangstüre von Tarnes Büro fortgesetzt. Vom Eintrittsloch aus breitete sich ein größer werdendes Spinnennetz aus Rissen über die ganze Scheibe aus.

Vergeblich versuchte der Mann Halt mit seiner erhobenen Hand zu finden. Langsam rutschte er herunter und hinterließ eine rote Spur. Der auf die Scheibe geklebte Schriftzug ‚Robert E. Tarne – Private Ermittlungen‘ verschmierte in der Mitte mit einem blutigen Streifen. Gefährlich funkelte das Rot in der Sonne.

Mit einem Sprung war Tarne an der Tür. Ihn fröstelte plötzlich. Draußen heulte ein Motor auf, und ein Wagen entfernte sich mit durchdrehenden Reifen. Er drückte gegen die Tür und schob den in sich zusammengesunkenen Körper zurück. Der Mann stöhnte. Tarne beugte sich über ihn. Das weiße Hemd war rot durchtränkt. Er streckte eine Hand aus und versuchte, etwas zu sagen. Ein Schwall Blut schoss aus seinem Mund, so dass nur ein undeutliches Grunzen zu hören war.

„Es wird alles gut!“, versuchte Tarne ihn zu beruhigen, ohne es wirklich zu glauben. „Ich rufe Hilfe.“ Er griff zum Handy, wählte die 110, machte die notwendigen Angaben und wiederholte noch einmal:

„Ja, richtig, Hubertstraße, Ecke Hubertweiche in Kray, der Laden mit den gelben Fliesen – ja direkt vor meinem Büro.“

Tarne fragte sich, was er da zusammengestottert hatte, kniete sich dann wieder neben den Mann und bettete den Kopf des Sterbenden in seinem Schoß, um ihm eine bequeme Lage zu geben. Immer mehr Blut quoll aus seinem Mund. Mit letzter Kraft tastete er nach Tarne. Die zur Faust geballte Hand rutschte über Tarnes Brust und öffnete sich langsam. Sie hinterließ eine Spur von Blut und einen kleinen Schlüssel. Reflexhaft griff Tarne zu und ließ ihn in seiner Hosentasche verschwinden. Im selben Moment entwich der letzte Atemzug aus den Lungen des Mannes und sein Augenlicht erlosch für immer.

Tarne blieb unbeweglich sitzen. Das Adrenalin, dass seinen Körper kurzfristig durchflutet hatte, war verbraucht. Eine überwältigende Mattigkeit machte sich in ihm breit. Er kannte diesen archaische Mechanismus, der im Augenblick der Gefahr Energie zur Verfügung stellte, um schneller weglaufen oder härter zuschlagen zu können und damit der Menschheit das Überleben in der Evolution ermöglicht hatte. Es hatte in dieser Situation nicht geholfen. Er hatte nichts verhindern können. und war völlig geplättet. Vor seiner Tür und in seinen Armen war gerade ein Mann gestorben. Nicht gestorben, nein, erschossen. Wie eine Hinrichtung auf offener Straße. Das traf wohl am ehesten zu.

Fenster wurden geöffnet. Neugierige streckten ihre Köpfe heraus, um einen Blick auf die Sensation zu erhaschen, die ihrem tristen Alltag einen Hauch von Aufregung und Abenteuer verschaffen sollte.

Nur nicht die Nerven verlieren!, sagte sich Tarne, zog, seinem Berufsdrang folgend, die Brieftasche aus der Jacke des Toten und fischte den Ausweis heraus. Edgar Eberli, geboren Adligenswil/LU, Schweiz, am 18.04.1972, also zweiundvierzig Jahre alt. Wohnhaft in Bern, Aebistrasse 11. Als die ersten Schaulustigen sich näherten, hatte er die Brieftasche bereits zurückgesteckt und abgewischt von wegen Fingerabdrücken.

Schnell anschwellende Sirenen. Die eintreffenden Einsatzkräfte fanden Tarne im Schneidersitz vor seiner zerschossenen Eingangstüre, er selbst über und über mit Blut verschmiert und in seinem Schoß der Kopf des vor ihm ausgestreckten Toten. Der Gehsteig unter beiden ein dunkelroter See zwischen Zigarettenkippen, platt getretenen Kaugummis und Kronkorken und verkümmerten, vereinzelten Grasbüscheln. Ein animalischer Geruch lag über allem, und die ersten Fliegen tummelten sich auf den trocknenden Krusten aus Lebenssaft.

Nur langsam konnte Tarne einen klaren Gedanken fassen. Ja, das war merkwürdig, die Polizei war viel zu schnell zur Stelle! Als wenn sie vorher gewusst hätte, dass etwas passieren würde. Ein Ambulanzfahrzeug näherte sich ebenfalls schon aus der Richtung Stadtmitte.

Die Polizisten steckten ihre vorsichtshalber gezogenen Waffen weg. Der Arzt stellte den Tod Eberlis fest und wandte sich an Tarne, der nur abwiegelte: „Ich habe nichts, mit mir ist nichts. Es ist alles OK!“ Aber nichts war OK, dachte Tarne.

Er wurde von den Bullen mehr hoch gezerrt, als das ihm geholfen wurde, und die ersten Fragen stürmten auf ihn ein.

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